ES IST ZU SPÄT
Notizen zur Ruine
Der Kampf zwischen Geist und Natur ist vorbei – Ruine ist Frieden: Himmelsträume, die nach oben dringen, von der Schwere des Verfalls zu Boden gedrückt – das Verschwinden des Menschen, die vergebliche Mühe – Was bleibt? Sein Bauen, eine Landkarte, die Spuren seines Körpers, reine Materie, die sich im Auflösen befindet – Stahl, Stein bleibt – Unsere Liebe bricht – Marmor, Eisen nicht – Ist noch Geist in der Flasche?
Doch! Ein wenig Geist bleibt, das Materielle ist ja nicht chaotisch – Noch ist ein Plan zu sehen, wenn auch einer, der sich erledigt hat – Mehr der Charakter von unvollendeten Erzählungen – Ein Standbild – Ein Standbild des Schöpferischen – Ruine: eine Bildstörung, ein Tonaussetzer, eine Sendeunterbrechung?
Fortdauernd erzählen wir uns dieselbe Geschichte, immer wieder – Dass der Geist über die Natur gewinnt, morgen wird’s was geben, auf jeden Fall, Emanzipation durch Wachstum – Die Ruine aber! Sie widerlegt diese Märchenstunde – Sie ist der Klang des Verstummenden: „Ich, Ich, Ich, will, will, will“ – Und wer die Ohren dafür hat, der hört die Heilung.
Die Ruine ist eine Antifortschrittserzählung – Sie erinnert uns daran, wie viel Arbeit die Bewohner aufwenden müssen, ohne dass etwas Neues zu erobern wäre – Sie sagt uns: Zu 99 Prozent gibt es nur eines zu tun: Instandhaltung, Wartung, Reparatur – Die Ruine sagt: Der Staus Quo existiert nicht mehr!
Die Natur hat gewonnen, und es ist anzunehmen, dass sie immer gewinnt – Über kurz oder lang: alles wird verfallen, die Natur holt sich alles zurück, was ihr ein Raffer, Preller, Räuber hat stehlen wollen – Ruine ist Sumpfgebiet – Man sitzt auf den Resten des versinkenden Diebesgutes und träumt mit böser Galle: Nichts anderes als ein Ort der Vergewaltigung, ein Vergewaltiger dieses Lebewesen!
Die Ruine sagt: Es ist ein Kampf zwischen Mensch und Natur – Wir wissen nicht, warum die Natur sich einen solchen jammernden Ruhestörer ins Haus holen musste, auch Endleben gibt über dieses Geheimnis keine Auskunft, aber hier, inmitten der wunderschönen Reste, herrscht der Klang eines gewonnenen Triumphes der Natur
Ruine ist DaDa – Ein Dadaist muss man sein, um das Ruinöse zu verstehen, denn wir sitzen inmitten des Zusammenbruchs der Zeichen, hier regiert der Zufall – Und seltsam! Wir werden berührt, scheinbar ist etwas in unserem unseligen Weltaufbau, das ohne Zeichen funktioniert – Hier in Endleben ist es deutlich zu spüren! – Ein Kontakt zu dem, was wir unsere eigene Natur nennen können? – Eine unterdrückte Wirklichkeit, eine die sich zeigt, wenn der Bewohner abwesend ist, wenn sein Wille nicht mehr wirkt?
Eine heilige Stimmung kommt auf, ein kurioses Weihnachten, etwas Erhabenes zeigt sich, hier in Endleben! Diese Ruine ist die erste von vielen, die noch kommen werden, eine Kirche, ein Kloster, beten wir zu Nichts!